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Das Lernverhalten des Hundes

Wir alle möchten einen braven und folgsamen Hund an unsere Seite. Doch dazu müssen wir auch wissen, wie unsere Hunde denn lernen. Denn nur wer selbst versteht, wie dieser Mechanismus funktioniert, kann ihn auch umsetzen.


Was ist Lernen?


„Lernen“ wird im lernpsychologischen Kontext als ein Erfahrungsprozess aufgefasst, der zu einer relativ permanenten Änderung des Verhaltens beim Individuum führt.

Oder anders gesagt: Lernen ist eine Verhaltensmodifikation (Verhaltensveränderung) aufgrund von Erfahrung. Das ist wichtig zu verstehen und wir behalten uns das im Kopf.


Warum lernt ein Hund?


Lernen dient der besseren Anpassung eins Lebewesens an seine Umwelt.

Denken wir zum Beispiel an einen Hund, der in der Wildnis oder auf der Straße lebt: Um zu überleben, muss er sein Verhalten ständig anpassen, und das gelingt ihm nur, wenn er über Lernen sein Verhalten verändert. Lernen ist überlebenswichtig!


Dies gilt natürlich nicht nur für den Hund, sondern auch für andere Tiere sowie für uns Menschen.


Die wichtigsten Lernformen (Lernprozesse):

  • Habituation (Gewöhnung)

  • Sensitivierung (Sensibilisierung)

  • Klassische Konditionierung (Glockenexperiment Pawlow’scher Hund)

  • Operante / Instrumentelle Konditionierung

  • Nachahmung

  • Soziales Lernen


Innerhalb dieses Beitrages auf alle Lernformen einzugehen, würde definitiv den Rahmen sprengen. Gerne können wir das in einem gesonderten Beitrag machen. Da die Operante/Instrumentelle Konditionierung allerdings eine der häufigsten Formen ist und sich daran auch das Belohnen bzw. Bestrafen orientiert, möchten wir auf diese Art kurz eingehen:


Die Operante Konditionierung (auch instrumentelle Konditionierung genannt) findet sich im „klassischen“ Hundetraining, indem der Hund durch eigene Handlungen und darauffolgende Konsequenzen lernt. In der Praxis bedeutet das: Ein Signal wird gegeben und der Hund bekommt ein Leckerli. Im Normalfall wird der Hund dieses Verhalten dann öfter zeigen.


Die „Konsequenzen“ sehen aus wie folgt

  • positive Verstärkung

  • negative Verstärkung

  • positive Bestrafung

  • negative Bestrafung


Die Bezeichnungen „positiv“ und „negativ“ sind hier nicht wertend gemeint, sondern im Sinne von „hinzufügen“ und „wegnehmen“.

Wenn wir also unseren Vierbeiner mittels positiver Verstärkung belohnen, fügen wir eine Belohnung hinzu, wodurch das Verhalten verstärkt wird. Wenn wir hingegen mittels positiver Bestrafung strafen, also etwas Unangenehmes (Strafe) hinzufügen, wird der Hund das Verhalten künftig meiden.


Etwas kniffliger wird es bei der negativen Verstärkung und Bestrafung:

Negative Verstärkung bedeutet das Wegnehmen von etwas Angenehmen, bspw. der Aufmerksamkeit. Hier passiert übrigens im Training auch oft ein Fehler, wenn wir unseren Hund mittels Leckerli locken wollen: Unsere Intention, den Hund nach Ausführen des Verhaltens gleich zu belohnen, sind für den Hund eigentlich eine Wegnahme des Leckerlis, immerhin wird dieses ständig vor seiner Nase weggezogen. Deshalb: Nicht zu lange locken bzw. immer wieder ein Leckerli geben, um den Hund motiviert zu lassen!

Negative Bestrafung hingegen bedeutet für den Hund, dass etwas Unangenehmes weggenommen wird, bspw. der Leinendruck. Das Gefühl, das der Hund dann verspürt, ist sohin Erleichterung bzw. etwas Positives!


Ihr seht- die Schwierigkeit liegt hier bei den Worten Verstärkung und Bestrafung! Zu beachten ist immer das Gefühl nach der Konsequenz.





Welche Voraussetzungen braucht ein Hund zum Lernen?


Die richtige Umgebung bzw. Lern-Atmosphäre ist hier wichtig. Ebenfalls sollte am Anfang auf eine reizarme Umgebung geachtet werden damit der Hund ohne Ablenkung lernen kann.

  • Achtet auf eure sowie auf die Stimmung eures Hundes. Negative Gefühle, wie Angst, Stress, Schmerz usw. sowie eine zu hohe Erregungslage (beim Menschen wie beim Hund) sind zu vermeiden. Der Vierbeiner sollte also entspannt sein und sich sicher fühlen.

  • Wie oben schon erwähnt sollte auf Ablenkungen in der Umgebung geachtet werden z.B. akustische und/oder optische Reize. Der Hund sollte sich auf uns bzw. die jeweilige Übungseinheit konzentrieren können.

  • Das körperliche Wohlbefinden spielt ebenfalls eine große Rolle. Wir kennen das von uns selbst: Wenn wir krank sind oder Schmerzen verspüren, lernt es sich äußerst schlecht. Stellen wir uns vor, ein Hund mit Rückenschmerzen soll lernen, sich ins Platz zu legen oder noch viel schlimmer auf einen Baumstrumpf hoch und wieder hinunter zu springen. Verständlicherweise will der Hund diese Verhaltensweise nicht ausführen, weil er Schmerzen verspürt. Es liegt in unserer Verantwortung, dies unbedingt zu respektieren!


Die richtige Motivation


Motivation ist die Summe aller Beweggründe, ein bestimmtes Verhalten auszuführen. Diese Beweggründe entstehen aufgrund einer Wechselwirkung interner (Bedürfnisse) und externer (Umwelt) Faktoren.


Für einen Hund gibt es verschiedene Gründe (Motive), etwas zu tun. Der eine Hund ist hungrig und deshalb motiviert zu fressen, der andere hat einen Hundekumpel angetroffen und ist motiviert zu spielen, ein weiterer Hund hat ein Reh gesichtet und ist motiviert zu jagen, einer hat Schmerzen und reagiert deshalb auf Berührung aggressiv, und einer ist müde und will seine Ruhe haben, um sich zu erholen, und so weiter und so fort.


Ohne Motivation, kein schönes Hundetraining!


Schaffen wir es nicht, den Hund zu motivieren - ihn also mittels Begeisterung und einer positiven Erwartungshaltung von einer neuen Verhaltensweise zu „überzeugen“ - bleibt uns als Alternative eigentlich nur noch Druck, Einschüchterung oder Gewalt.

Das ist nicht nur unprofessionell, unwissend und unschön (Gewalt fängt da an, wo Wissen aufhört), sondern es gewährleistet auch keinen Wohlfühlfaktor für den Hund, was darüber hinaus zu Lernblockaden führen kann.


Wir wollen verstehen, wie wir den Hund auf positive Art und Weise motivieren können, mit uns zu kooperieren - sei es im Alltag oder im Hundetraining. Dazu sollten wir unseren Hund gut kennen und einschätzen lernen, da seine Vorlieben je nach Situation (interne/externe Faktoren) ganz unterschiedlich sein können. Eine gute Beobachtungsgabe sowie etwas Kreativität ist von uns Hundehaltenden also gefragt, um unseren Hund zu motivieren.


 

Allgemeines für ein erfolgreiches Training


Viele Wiederholungen sind notwendig:

Es ist sinnvoller und viel effektiver, mehrmals am Tag für eine kurze Zeit (2 bis 5 Minuten) mit dem Hund zu lernen, als einmal am Tag und dafür lange. Eine neue Verhaltensweise lernt der Hund dadurch, dass sie vielfach wiederholt wird, aber eben nicht auf einmal, sondern über viele Tage verteilt und immer nur in kurzen Lerneinheiten. Pausen zwischen den Lerneinheiten von mindestens 10 Minuten (z.B. Wasser trinken, ruhen, spielen etc.) sind elementar! Wir wissen aus unseren eigenen Lernerfahrungen nur zu gut, wie wichtig Pausen für den Organismus sind.


Das richtige Timing im Hundetraining:

Timing im Hundetraining ist entscheidend. Möchten wir unseren Hund für das Verhalten X belohnen, müssen wir ihm die Belohnung innert 0,5 Sekunden nach dem gezeigten Verhalten zukommen lassen. Damit uns dies gelingt, stehen uns neben den primären Verstärkern die sekundären Verstärker (Markersignale) zur Verfügung.


> Primäre Verstärker

Alles, was der Hund an Lebensgrundbedürfnissen benötigt. Also alles, was für den Hund von Natur aus belohnendem Charakter hat: z.B. Futter, Wasser, Spielen, Rennen, Schlafen usw. > Sekundäre Verstärker

Trainings-Werkzeuge, wie z.B. der Clicker oder das konditionierte Lobwort. Beides sind sogenannte Markersignale, die klassisch konditioniert werden und dem Hund einen primären Verstärker (natürliche Belohnung) ankündigen: „Das hast du richtig gemacht und nun folgt deine Belohnung.“


Sekundäre Verstärker werden im modernen Hundetraining (im Tiertraining allgemein) weltweit sehr erfolgreich eingesetzt. Sie ermöglichen uns, das erwünschte Verhalten des Hundes punktgenau zu markieren bzw. zu belohnen- auch auf Distanz. Zudem haben sekundäre Verstärker den Vorteil, dass wir diese auch auf Distanz anwenden können.


Die Belohnung und ihre Qualitäten:

Wie wir gleich sehen werden, gibt es eine große Auswahl an Möglichkeiten, wie wir unseren Hund positiv belohnen können.

Fragen wir Hundehalter, wie sie ihre Hunde belohnen, antworten sie meistens „indem er etwas Gutes bekommt, z.B. Futter oder Zuwendung (z.B. Streicheln)“. Fragen wir aber den Hund, was er denn in einer entsprechenden Situation als Belohnung wirklich mag, würden wir möglicherweise eine „Antwort“ bekommen, mit der wir nicht gerechnet haben.


Jeder Hund hat eigene Vorlieben

Jeder Hund entscheidet individuell darüber, was für ihn in der entsprechenden Situation eine hochwertig positive Belohnung darstellt. Etwas, das für einen Hund in einer bestimmten Situation belohnenden Charakter hat, muss für einen anderen Hund noch längst keinen haben!


Nachfolgend eine Auflistung, was dies alles sein könnte:

  • Zuwendung/Aufmerksamkeit

  • Futter (in allen möglichen Variationen)

  • Wasser (trinken / schwimmen)

  • Spielzeug

  • Hundekumpel

  • Schnüffeln

  • Wälzen

  • Rennen

  • Karton zerfetzen

  • etwas tragen

  • Jagen (z.B. nach Mäusen buddeln)

  • Schlafen/Ruhen

  • usw.


Hunde unterscheiden situativ:

Ein Hund bevorzugt je nach Situation eine andere Belohnung:

  • Ein Hund, der gerade ein leckeres Stück gammliges Brot ausgeben muss (Signal Aus“), das er in einer Pfütze gefunden hat, freut sich über eine großzügige hochwertige Futterbelohnung, die für ihn mehr als einen adäquaten Ersatz darstellt.

  • Der gleiche Hund, der im Freilauf gerade ein Eichhörnchen gesichtet hat und von seinem Besitzer via Rückruf vom Jagen abgehalten werden konnte, freut sich vielleicht mehr über ein Beute-Zerr-Spiel mit seinem Menschen, das als Jagd-Ersatz für ihn einen höheren Belohnungscharakter hat als Futter.


Den Hund seiner Leistung entsprechend belohnen:

  • Für besonders gute Leistungen sollten Hunde auch besonders hochwertig belohnt werden. Wenn wir also z.B. in unserer Leckerli Tasche normales Trockenfutter und verschiedene Lieblingsleckerli des Hundes dabeihaben und unseren Hund gerade vom Jagen einer Katze zurückrufen konnten - was uns bisher noch nie gelungen ist - dann sollten wir ihm als Belohnung unbedingt eine tolle Fress-Party mit seinen Lieblings-Leckerchen anbieten - in einer solchen Situation also nicht geizen was die Belohnung und unsere freudige Stimmung angeht.

  • Wenn der Hund sich brav neben das Auto setzt und wartet bis er einsteigen kann, wie er das bereits 1000-mal gemacht hat, ist es ausreichend, wenn wir ihn verbal oder mit einem Stück Trockenfutter belohnen.

  • Kann der Hund jedoch das Signal „Sitz“ noch gar nicht und wir sind dabei, ihm dieses beizubringen, dann sollten wir ihn bei gutem Gelingen auch mit einem Lieblings-Leckerchen belohnen, um ihn zu motivieren, dieses Verhalten auch zukünftig auszuführen.


Ein häufiges Missverständnis:

Zu denken, dass Hunde etwas „aus Liebe“ für uns tun, ist ein sehr vermenschlichter Ansatz. Der Hund ist ein Opportunist (ein Individuum, das zweckmäßig handelt, um sich der jeweiligen Lage anzupassen und einen Vorteil daraus zu ziehen). Ein Hund tut Dinge vor allem aus einer bestimmten Motivation heraus, um einen Eigennutzen daraus zu ziehen- gerade darum ist ja die Motivation bzw. die richtige Belohnung so wichtig.



 

Und nun Schluss mit der ganzen Theorie und ab in die Praxis!


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